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Motivationen für die Umsetzung des ersten mehrgeschossigen Wohnbaus in hauptsächlicher Massivholz-Bauweise waren u.a.:
Die Gesamtanlage umfasst 154 Genossenschaftswohnungen, von denen 112 in Massivholzbauweise errichtet wurden. Für den zu einer Bahntrasse gerichteten Bauteil (42 Wohnungen) wurde aus Schallschutzgründen die traditionelle Stahlbetonbauweise gewählt. Auch im Holzbauteil ist das Erdgeschoß zur Vermeidung der Spritzwasserproblematik aus Stahlbeton ausgebildet, darüber erheben sich drei Hauptgeschoße sowie ein etwas zurückversetztes Dachgeschoß.
Im Holzbauteil bestehen sämtliche Decken- und Wandkonstruktionen aus Kreuzlagenholz – fünf bis sieben Schichten Vollholz aus heimischer Fichte werden kreuzweise übereinander unter hohem Pressdruck verleimt. Diese KLH-Technologie zeichnet sich durch hohe Belastbarkeit, große Formstabilität und überprüfte Brandsicherheit aus. Die Konstruktionsdicken betragen bei Wohnungstrennwänden 32,2 cm, bei Wohnungstrenndecken 40,2 cm. Der eingesetzte Holzbedarf entspricht ca 2.500 Fichten mittlerer Größe, es wurden 1.025 vorgefertigte Elemente mit Längen bis zu 16 m eingesetzt (16.000 m2 Wand- und Deckenelemente). Dank hohem Vorfertigungsgrad konnte die Rohbauzeit stark reduziert werden, die Montagezeit betrug lediglich 3,5 Monate
Um den geforderten Anprüchen an Luftdichtheit, Schall- und Wärmedämmung zu entsprechen wurden die konstruktiven Massivholz-Bauteile mit weiteren Schichten versehen: Wohnungstrennwände und Decken mit biegeweichen Vorsatzschalen, Folienschicht (Dampfsperre) und Gipsfaserplatten; Außenwände zusätzlich mit einem mineralischen Wärmedämm-Verbundsystem; Isolierfenster hoher Qualität mit ausgezeichneten Schallschutzwerten; die Nassräume wurden um zentrale Hausschächte gruppiert, versehen mit einer speziellen Feuchtigkeitsabdichtung.
Der Brandschutz wurde in Zusammenarbeit mit der Wiener Feuerwehr entwickelt (F 90), im Bereich der Erdbebensicherheit attestiert ein Gutachten der Konstruktion ein günstiges Verhältnis von Eigengewicht und Tragfähigkeit.
Die bautechnischen Kennzahlen sichern Niedergenergie-Standard, alle in den einschlägigen Normen vorgeschriebenen Werte sind mit einer großen Sicherheitsreserve erfüllt. Dies ist auch Resultat der Entwicklungsarbeit in Form zahlreicher Labortests, Musterhaus-Experimenten, Dauerbrandversuchen, Fachgutachten in Zusammenarbeit u.a. mit TU Wien, MA 39, Holzforschung Austria.
Tragendes Motiv des Planungskonzepts ist – unabhängig von der Bauweise – die Fortsetzung der Spöttlgasse in die Grundstückstiefe, um so eine eindeutige Adressen- und Strukturbildung zu erreichen. Die so genannte „Neue Spöttlgase“ zweigt von der existierenden im rechten Winkel ab und erschließt alle Bauteile des Gesamtprojekts im 1. Geschoß. Das eigentliche Grundstück liegt etwa ein Geschoß tiefer als die „alte Spöttlgasse“.
Die Wohnungen werden hauptsächlich über eine Laubengangzone erschlossen, die ca. 10 m tiefen Maisonetten oder Geschoßwohnungen verfügen grundsätzlich über einen angemessenen Freibereich oder Veranda. Durch die vorgelagerte „Pufferzone“ wird einerseits der Wohnraum erweitert, andererseits die Gesamtenergiebilanz des Gebäudes verbessert. Das Bad – als wärmster Raum – wurde in die Kernzone der Wohnung gelegt.
Unter der „Neuen Spöttlgasse“ sind wesentliche Allgemeinflächen konzentriert, die direkt mit den umgebenden Freiflächen kommunizieren und von den Wohnungen über Treppenanlagen erreicht werden. Die Wohnanlage wird in den Freiräumen durch Mietergärten, Ruhezonen, Kinderspielplätze, Orte gemeinsamer Aktivitäten gegliedert und vielfach individualisiert. Die Gemeinschaftseinrichtungen/Freiflächen bestehen aus: begrüntem Spielhof Sauna, 7 Kinderwagen- und Fahrradabstellplätze, 2 Waschcenter, Jugendspielplatz, 2 Kleinkinderspielplätze, 1 Gemeinschaftsraum, Satelliten-TV (SMAT-System)
> Bewusstseinbildung: Die Bewohner wurden bereits vor Bezug durch spezielle Informationsfolder mit der Gesamtthematik des Holzwohnungsbaues, dessen ökologischen Qualitäten und Vorteilen vertraut gemacht. In der Besiedelungsphase wurden die Einziehenden über den Umgang mit diesem innovativen Konstruktionsprinzip instruiert, gleichzeitig erhielten sie einen schriftlichen Leitfaden über das „Wohnen mit Holz“. In den Jahren seit der Besiedelung ab Oktober 2005 sind keinerlei Komplikationen bekannt geworden. Die Zufriedenheit mit einem speziellen Wohnkomfort und mit innovativer Bauweise ist auch an einer sehr geringen Fluktuation zu messen.
> Pilotprojekt: Der Massivholzbau „Spöttlgasse“ hat in der Fachwelt und -publizistik hohe Aufmerksamkeit erreicht, zahlreiche Expertenbesuche bewerten u.a. die hochwertige Ausführungsqualität besonders positiv. Hervorzuheben ist zweifellos die nachhaltige Impulsfunktion des Projekts. Es ist auf der Basis umfassender Testreihen und Expertenstudien gelungen, eine Novellierung der Wiener Bauordnung (2001) zu initiieren. Die Fortentwicklung von der Holzriegelbauweise zum konstruktiven Einsatz von Massivholz hat hierbei eine wesentliche Rolle gespielt. Im Bereich der Erdbebensicherheit hat das Projekt als erster großvolumiger Wohnbau in Wien der am 11.1.2006 erlassenen neuen Norm vorzeitig Rechnung getragen. Es ist ergibt sich als Fazit, dass das Modellobjekt „Spöttlgasse“ einer Reihe von Nachfolgeprojekten in Holz- oder Mischbauweise auf Wiener Boden den Weg zur Umsetzung geebnet hat.
> Leistbarkeit: Es ist der Nachweis erfolgt, dass ein innovatives und qualitativ hochwertiges Projekt im Kostenrahmen der Wiener Wohnbauförderung realisierbar ist. Gerade im Zeichen des Klimawandels wurde zudem eine ökologisch zukunftsweisende Alternative für urbane Wohnformen am Stadtrand entwickelt.
Im Rahmen der Vergabe des Wiener Wohnbaupreises 2009 kam das Objekt Spöttlgasse in die engere Wahl der fünf bestplazierten Projekte und wurde u.a. so beurteilt:
„Besonders hervorzuheben ist, dass dieses Projekt vor einigen Jahren ein Pionier im mehrgeschossigen Massivholzbau war. Das Projekt hat wesentlich die Novellierung der Wiener Bauordnung bewirkt und damit Türen aufgestoßen für die Welt des Holzbaues.“
„Zu erwähnen sind auch die vielfältigen Gemeinschaftseinrichtungen auf dem Dach und im Erdgeschoß sowie im Freiraum, ebenso die konstruktionsbedingte Klarheit in der Architektursprache und Gebäudekonzeption, die auch ein hohes Maß an Flexibilität und vielfältige Wohnungsangebote zulässt. Insgesamt bietet das Projekt eine sehr schlüssige Konzeption, die Vorlagen für weitere Projekte liefert.“